Meine bisherige Begegnung mit Windows mobiler Plattform vor gut einem Jahr war kurz, schmerzlos und nicht gerade von Erfolg geprägt. Jetzt schicken sich ASUS und Microsoft an, meine negativen Erfahrungen mit dem ASUS VivoTab RT und der Windows RT-Plattform zu revidieren. Unser Unboxing-Video hatte die Marschrichtung schon vorgegeben, dass das Tablett für mein persönliches Highlight im Smartphones und Tablets- Markt des Jahres 2012 sorgen würde, war indes in dieser Form nicht auszurechnen. In diesem Testbericht zum ASUS VivoTab RT TF600T, dass uns wie immer freundlicherweise von getgoods.de zur Verfügung gestellt wurde, erfahrt ihr warum.
Grundsätzliches zu Windows RT
Windows 8, WindowsPhone 8 und Windows RT sind grundsätzlich neue Betriebssysteme, die auf die unterschiedlichen Peripherie-Geräte angepasst sind. Während WindowsPhone 8 ein ganz eigenes Bedienerlebnis bildet, sind die Ähnlichkeiten zwischen Windows-PC und Windows RT Tablet frappierend. Wer noch nie ein Windows 8 Tablet live in Aktion gesehen hat, darf sich Windows RT als eine leicht modifizierte Version von Windows 8 vorstellen, in welcher es neben der modernen Kachel-Oberfläche zwar auch den klassischen Windows Desktop samt Windows Explorer gibt, doch „normale“ Windows Programme lassen sich nicht installieren. Apps werden ausschließlich aus dem Windows Store bezogen.
Neben einer einzigartigen Optik, die für viele Kontroversen sorgt, bringt Windows 8 viele neue Funktionen mit sich und bedürfte eigentlich einer gesonderten, detaillierten Beschreibung. Im Rahmen dieser Rezension können wir nicht alle Facetten abdecken und konzentrieren und stattdessen auf einige Aspekte, die das ASUS VivoTab RT betreffen.
Design, Optik & Verarbeitung
„Man merkt eben, das ASUS nicht das erste Mal in dieser Richtung tätig wird und seine gesamten Erfahrung in das ASUS VivoTab RT hat einfliessen lassen können.“
Asus hat in Punkto Design in letzter Zeit glückliches Händchen gehabt- die letzten Android Tablets wie das Transformer Prime oder das Nexus 7 konnten durch eine klare Linie und ein schlichtes, zeitloses Design überzeugen- ganz im Gegensatz etwa zum ersten Transformer Tablet. Man merkt eben, das ASUS nicht das erste Mal in dieser Richtung tätig wird und seine gesamten Erfahrung in das ASUS VivoTab RT hat einfliessen lassen können. In Kombination mit vielen anderen Faktoren (verwendete Materialien, Haptik und Verarbeitung) ergibt sich daraus ein äußerst positiver Gesamteindruck.
Ungern bemühe ich Begriffe, die von der Marketing-Abteilung erfunden wurden, aber sei’s drum, was Gewicht und Verarbeitung angeht, dürfen sie ausnahmsweise zum Einsatz kommen: um Maße und Gewicht des ASUS VivoTab RT in Grenzen zu halten, kam die sog. Nano-Molding-Technologie bei der Fertigung zum Einsatz. Das Resultat sind 525g Gewicht bei einer Dicke von 8,25 cm-, womit man ganz getrost von einem Ultraslim-Tablet sprechen kann – in Zeichen der grassierenden Nano- und Mini-Fixierung bei Tablets (ganz im Gegensatz zum größer, schneller und breiter-Trend bei Smartphones) ein nicht zu unterschätztendes Kaufargument.
Größe und Gewicht kann man leicht auf (Werbe-)Papier bringen. Schwieriger ist es, die richtige Balance zu finden: ultraleicht kann auf Kosten der Wertigkeit gehen, das (Fliegen-)Gewicht kann auch einmal ganz schnell, ganz schlecht verteilt sein und für ein ganz und gar nicht tolles Handling sorgen- ASUS ist es zum Glück gelungen hier ein gutes Mittelmaß zu finden: das Aluminiumgehäuse macht nicht nur optisch viel her, es sorgt für die benötigte hochwertige Verabeitungsqualität und Verwindungssteifigkeit. Trotz alle dem erfreut man sich immer wieder beim Lesen längerer Artikel oder beim Betrachten von Videos über das angenehme Gewicht – Ermüdungen kommen so sehr selten vor.
Bei unserem Testgerät ist die Verarbeitung hervorragend, nirgendwo scharfe Kanten, die Spaltmaße sind exakt – ich würde es mittlerweile gar nicht mehr gesondert erwähnen, wenn ich nicht immer wieder von angeblichen Mängeln bei diversen Geräten (auch anderer Hersteller) lesen würde. Ich frage mich, warum manche (Amazon-)Rezensenten anscheinend immer ein Montagsmodell bekommen.
Display
Wie schaut’s beim Display aus? Haben wir es mit einem Panel auf Retina-Niveau zu tun oder schauen wir mit dem IPS+-Display in dieser Hinsicht in die Röhre? Weder noch, lautet das kurze Fazit. Wer ein Tablet mit solch hoher Auflösung sucht, der wird nur beim Nexus 10 fündig, sollte sich aber aber genau überlegen, ob es wirklich ein KO-Kriterium darstellt, oder ob’s nicht doch ein klein wenig, weniger auch tut. Das IPS+-Panel ist genau dieses etwas weniger, mit dem man noch ganz gut leben kann. Immerhin reden wir von einer Auflösung von 1366×768 Pixeln – viele Notebooks bieten eben genau diese Auflösung bei wesentlich größerer Bildschirmdiagonale. Die Bildschirmhelligkeit wird mit bis zu 600 cd/m² angeben, wer das Display voll aufdreht, erreicht damit ein durchweg gleichmäßig ausgeleuchtetes und helles Display. Im Alltag wird die automatische Displayhelligkeit für die meisten Benutzer völlig ausreichend sein- die Steuerung reagiert hier recht zuverlässig auf die herrschenden Lichtverhältnisse und passt die Helligkeit entsprechend gut an.
Prozessor und Leistung
„Der Tegra3-Prozessor folgt dem Beispiel eines idealen Schiedsrichters: er ist immer dann am Besten, wenn man nichts von ihm sieht. „
Der Tegra3-Chip kommt bei ASUS oft zum Einsatz, etwa beim Transformer Prime und sorgt auch ein gutes Dreivierteljahr später für insgesamt zufriedene Tester-Augen: flüssiges Arbeiten, nahtloses Wechseln zwischen einzelnen Bildschrimen, Apps, die Rückkehr zum Windows Startbildschirm, die Einblendung der Seitenleisten- hier kommt der 4+1-Prozessor nur selten in Bedrängnis oder ins Stocken- flüssig erledigt er sämtliche Aufgaben solide ohne sich jemals in den Vordergrund zu drängen. Wahre Geschwindigkrits-Orgien darf man nicht erwarten, aber sind diese denn immer nötig?
Während der Testphase wurden uns drei System-Updates angeboten, mit denen v.a. Performance- und Stabilitätsverbesserungen erreicht wurden. Offensichtlich arbeitet Microsoft fleissig daran, Kinderkrankheiten auszumerzen- die z.T. heftige Kritik in früheren Reviews – etwa bei theverge.com – kann ich nur sehr bedingt nachvollziehen. Beim erstmaligen Öffnen einer App dauert der Start tatsächlich etwas länger als man es von Apple oder Android-Geräten gewohnt ist, weil viele (Cloud-)Einstellungen synchronisiert werden müssen- danach sind die Apps aber immer sofort bereit. Im Alltag merkt man so von der Verzögerung bei häufig verwendeten Apps wie Mail, dem Store, Maps usw. später nichts mehr. Selbst die Office Anwendungen, sind bei erneutem Öffnen sofort startklar – anders als ihre Desktop-Pendants.
Nichtsdestotrotz hätten wir uns in Hinblick auf die Zukunft eine modernere Prozessor-Architektur gewünscht- etwa den beliebten Qualcomm Snapdragon S4. Ob die Leistung in einem halben Jahr auf Höhe der Zeit sein wird- eher unwahrscheinlich- im Moment jedoch gilt noch: Der Tegra3-Prozessor folgt dem Beispiel eines idealen Schiedsrichters: er ist immer dann am Besten, wenn man Nichts von ihm sieht.
Kamera & Sound
Die Kameras des ASUS Vivo Tab RT erfüllen alle Anforderungen, die man an ein aktuelles Tablet stellt- nicht nur rein auf dem Papier sind die Kameras mit 8 respektive 2 Megapixeln auf der Höhe der Zeit, ohne einen überragenden Eindruck zu machen. Für Skype usw. kann ich die Frontkamera ohne Gewissensbisse empfehlen. Schnappschüsse mit der rückwertigen 8MP-Variante gelingen ebenfalls und lassen sich zwar rudimentär, aber relativ einfach nachbearbeiten- hier wird solide Durschnittskost geboten. Die Kamera sollte in jedem Fall nicht das ausschlaggebende Argument beim Kauf des Vivo Tab RT sein.
Der Sound hingeben ist schon mehr als solide Hausmannskost: saubere, glasklare Wiedergabe, rausch- und störungsfreie Aufnahme- hier erlaubt sich das Windows Tablet keine Blöße.
Akku und Alltag
„Ganz ehrlich, Polaris und co aus der Android Ecke waren damit ganz schnell vergessen, sie können gegen Word oder PowerPoint nicht einmal annähernd anstinken. „
Ich habe das ASUS Vivo Tab RT 600 ohne Docking-Station erhalten, was ich einigermaßen schade finde. Gerade im Alltag hätten sich die Tastatur und der vergrößerte Akku sicher positiv auf das Gesamterlebnis ausgewirkt. Dessen ungeachtet war auch so schon die Akkuleistung mehr als ausreichend: in den ersten fünf Tagen musste ich das Windows 8 Tablet ein einziges Mal aufladen- nämlich nach dem Unboxing-Video. Dazwischen habe ich darauf geachtet, einen einigermaßen alltäglichen, Durchschnittsgebrauch zu simulieren: ständige Synchronisation aller gängigen Konten (Google, Facebook, Outlook, Twitter, Google+ usw.), nur Standby statt vollständiges Herunterfahren, Nutzung primär um im Internet zu surfen, emails abrufen & schreiben, ein Spiel oder Video zwischendurch. Dabei muss ich zugeben, das Tablet etwas mehr als eine Stunde täglich nach Feierabend eingesetzt zu haben. Zumindest zeigt sich dadurch für mich, dass ASUS sein Versprechen was die Akkulaufzeit angeht, einigermaßen gehalten. Ich habe es zwar nur zuhause eingesetzt und hätte es auch bequem an der Stromtankstelle auftanken sollen, nach einer Weile werden aber wahrscheinlich die meisten User das Tablet als Gebrauchsgegenstand ansehen, dann in die Hand zu nehmen, wenn sie es brauchen und darüber meist vergessen, es brav aufzuladen. Zumindest ist das bei meinem Samsung Galaxy Tab 10.1 so gewesen.
Anders als beim Android Pendant fand ich den Alltagsgebrauch wesentlich angenehmer und reibungsfreier. Das Surfen im Internet mit dem Internet Explorer fand ich wesentlich besser als mit einem Browser, der mir die mobile Version einer Webseite präsentiert. Damit entfiel in den meisten Fällen der Drang, eine App zu installieren. Wozu etwa die Amazon- oder eBay-App installieren, wenn ich mit dem Vivo Tab die reguläre Webseite ansteuern und bedienen kann?
Ein weiteres großes plus sind die Office-Applikationen: im Prinzip handelt es sich um asgewachsene Office-Versionen mit denen sich wie auf dem PC gewohnt arbeiten lässt. Ganz ehrlich, Polaris und co aus der Android Ecke waren damit ganz schnell vergessen, sie können gegen Word oder PowerPoint nicht einmal annähernd anstinken.
Exkurs: VivoTab RT Gestensteuerung
Erwähnenswert finde ich die Gestensteuerung, mit der man sehr komfortabel arbeiten kann. Die Seitenränder spielen hier die entscheidende Rolle. Nach einer Weile hat man problemlos verinnerlicht, welche Aktion das Wischen von einer der vier Seitenleisten in das Display hinein bewirkt: wischt man rechts, öffnet sich das Kontektmenü, mit der man etwa jederzeit die Suchfunktion aufrufend in eine Art Optionsmenü wischt. Die gleiche Aktion an der unteren Seitenleiste ermöglicht etwa den Zugriff auf alle Apps; zieht man eine Kachel aus dem Homescreen in die sich nun geöffnete Extraleiste unten, kann man weitere Aktionen einstellen in Bezug auf die gewählt Kachel-App: Man kann die Größe ändern, sie vom Start-/Homescreen lösen, die App deinstallieren oder nur die Live-Kachel deaktivieren.
Besonders gefallen hat mir die Funktionalität der linken Seitenleiste: rasches/normales Wischen ermöglicht die Rückkehr zur vorherigen Anwendung. Zieht man die Wischbewegung etwas in die Länge und wischt dann wieder zurück zum Rand, so ändert sich die Funktion: jetzt öffnet sich eine Leiste, in der alle ausgeführten Apps in einem eigenem Fenster dargestellt werden, ähnlich wie etwa bei Android Tablets. So kann man dann direkt eine bestimmte App auswählen, statt sich durch die Anwendungen bis zur gewünschten App zurückzuwischen. Doch damit nicht genug: das klappt nicht nur auf dem Startscreen, sondern auch während einer geöffneten App. Möchte man eine weitere App, etwa während des Surfens immer im Auge behalten, so kann man sich diese durch die oben beschriebene Bewegung bequem an der Seite parallel anzeigen lassen: eine Art „Bild-in-Bild-Funktion“ für Apps. Super!
Some kind of „Fazit“
„Ich kann es kaum glauben, denn manchmal habe ich das Gefühl, dass das Tablet künstlich kastriert wird, so als ob man in einem Sportwagen nur bis in den dritten Gang schalten dürfte!“
Wo viel Licht ist, ist leider auch etwas zu viel Schatten. Man kann es nicht beschönigen, denn die App-Auswahl ist immer noch recht bescheiden. Niemand braucht sinnlose Fun-Apps, aber gerade was produktive Apps angeht, fehlt es doch an einigen wichtigen Basics. Das ist nicht die Schuld des Tablets oder des Herstellers ASUS (der ordentlich viele Dreingaben mitgibt), sondern des Betriebsystems. Es fehlen, nur um eine rein persönliche Auswahl aufzuzählen, etwa Dropbox, ein ordentliche App für die Google Dienste (etwa Google Drive) oder ein DNLA-Client, um Videos aus dem Heimnetzwerk abzuspielen- gerade letzterer Punkt ist aus meiner Sicht unerklärlich und v.a. – unverzeihlich! Damit verschenkt man so viel brachliegendes Potenzial und verprellt zahlreiche potenzielle Kunden. Die Möglichkeiten wären gegeben, warum nutzt man die dem Betriebsystem inhärenten Steilvorlage nicht mal ansatzweise konsequent aus? Ich kann es kaum glauben, den manchmal habe ich das Gefühl, dass das Tablet künstlich kastriert wird, so als ob als ob man in einem Sportwagen nur bis in den dritten Gang schalten dürfte!
Unboxing-Video
https://youtu.be/Wmg1ErMUxUw