Samsungs Gear 360 ist nicht die erste Kamera, welche aus nur zwei Fischaugenobjektiven ein 360 Grad Panorama generiert. Sie ist aber eine der Ersten, welche das auch in 4k-Auflösung schafft.
Ich hatte schon das Vergnügen mit der LG Cam 360, welche ein ähnliches Konzept nutzt, und war daher besonders gespannt, wie sich Samsung im Vergleich schlägt.
Die runde Kugel wirkt sowohl hochwertig solide verarbeite, als auch robust. Der Zugang zum Micro-USB-Anschluss, dem MicroSD-Slot sowie dem Akku (1350mAh) wird durch eine kleine, mit einer Gummidichtung versehenen Kappe ermöglicht. Das Gerät schafft dadurch die IP53-Zertifizierung. Somit ist es gegen Staubablagerungen im Inneren und gegen Spritzwasser („bis 60° gegenüber der Senkrechten“?) geschützt. Kleinere Tauchgänge wie mit dem Galaxy S7/Edge sind damit aber nicht möglich. Die Kameras erreichen jeweils eine Auflösung von 15 Megapixeln und besitzen eine f/2.0-Blende. Um zwischen den Modi hin- und herzuwechseln, verbaut Samsung ein kleines Display, welches auch anzeigt, wie lange eine Aufnahme noch läuft und für wie viele Fotos der Speicher noch ausreicht. Das erweist sich als durchaus praktisch für Aufnahmen ohne Smartphone.
Kommunikation mit dem Smartphone und Inbetriebnahme
Mit dem S7 oder S6 koppelt man das Gerät per Bluetooth, noch schneller geht es per NFC. Wer kein kompatibles Gerät sein Eigen nennt, kann eine modifizierte Gear Manager App nutzen. Man sollte sich aber im Klaren sein, dass die beiden Videos und Bilder nicht innerhalb der Kamera verrechnet werden, sondern auf dem Smartphone oder wahlweise auf dem Rechner. Das Smartphone sollte also mit einem ordentlichen Prozessor ausgestattet sein. Womit wir auch bereits beim ersten großen Kritikpunkt wären: Selbst das S7 Edge kommt da ordentlich ins Schwitzen. Ein fünfminütiges Video zu übertragen, dauert da gut und gerne eine halbe Stunde. Dabei wird das Smartphone extrem heiß, verliert ordentlich an Akkuladung und lässt sich währenddessen dank heftiger Ruckelorgien kaum bedienen. Daher empfiehlt es sich, die Übertragung in Ruhe zu Hause vorzunehmen, wenn man Zeit hat und nicht auf das Smartphone angewiesen ist. Vom Verrechnen am PC kann ich nur abraten, denn es dauert deutlich länger (Daten auf den Rechner ziehen, in die Schnittsoftware importieren, rendern…). Ich hoffe Samsung liefert per Software oder Firmware-Update effizientere Algorithmen nach. Richtig praktisch finde ich das mitgelieferte Mini-Stativ. Es sieht cool aus und zusammengeklappt ist es ein kompakter Handgriff. Dabei lässt sich aber nicht vermeiden, dass die Hand prominent im Bild plaziert ist. Daher empfehle ich ein einfaches Einbein-Stativ. Gibt’s im Elektrofachmarkt ab ca 15€. Eine Investition, die sich auf jeden Fall lohnt. So erzeugt man nicht nur viel interessantere Perspektiven, denn die Aufnahmen sehen mit einem Einbein-Stativ aus als ob die Kamera schwebt. Die Software berechnet das Stativ komplett aus dem Bild. Verlängert man das Stativ etwa auf eine Höhe von ca. 1.5m sieht es fast so, aus als würden die Aufnahmen mit einer Drohne entstehen.
Samsung Gear 360 Beispielvideos
Richtig unpraktisch hingegen ist die kugelartige Bauweise der Kamera. Zwar passt sie trotzdem noch in manch Hosentasche, was dann aber in etwa so ausschaut, als hätte man einen Tennisball eingesteckt. Da gefiel mir die längliche Bauform des koreanischen Konkurrenten deutlich besser. Die LG-Kamera konnte man fast unsichtbar in der Jackentasche verstauen, verfügt aber auf der anderen Seite nicht über ein Display und kann nicht in 4K aufnehmen.
Foto- und Videoqualität
Bei guten Lichtbedingungen können qualitativ gute Fotos entstehen. Zwar könnte die Auflösung immer noch etwas höher sein, da man ja beim Betrachten der Fotos immer nur Ausschnitte der ca. 25MP-Fotos sieht. Es sind dennoch feine Details zu erkennen, die Bilddynamik geht bei eingeschaltetem HDR in Ordnung und Farben sind recht natürlich. Bei komplizierteren Lichtverhältnissen hat die Kamera auch nach dem Firmwareupdate immer noch Probleme mit dem Weißabgleich. Meistens wählt der eine Sensor einen leicht unterschiedlichen Abgleich als der andere Bildsensor. Das führt dazu, dass die eine Hälfte der Kugel etwas gelblicher wirkt als die andere.
Auch das Verrechnen der Fotos klappt nicht immer wie man sich das erhofft hat. Befinden sich Objekte in der Nähe der Kamera zwischen beiden Linsen, wird einiges verschluckt. Bei größeren Abständen, zum Beispiel bei Aufnahmen im Freien, fällt das kaum auf. In den Randbereichen lässt aber auch hier die Schärfe deutlich nach. Ganz Ähnlich verhält es sich bei der Qualität der Videoaufnahmen. Die Probleme mit den Schnittflächen sind dieselben, zusätzlich kommt es immer wieder zu Mikrorucklern bei 4k-Aufnahmen. Bei Lowlight-Aufnahmen versagt die Kamera in beiden Modi, trotz ordentlicher f/2.0-Blende. Für Partyschnappschüsse reicht es aber allemal. Generell ist die Kamera für mich eher ein Spaß-Produkt, kaum einer wird erwarten damit HighEnd Fotos zu machen. Damit bleibt die Kritik durchaus berechtigt, sollte aber nicht überbewertet werden.
Funktionen und Wiedergabe
Die Samsung Gear 360 ist eine der ersten Kameras, welche es ermöglicht die Fotos und Videos direkt auf Facebook zu posten. Zudem lassen sich Videos auch auf YouTube hochladen. Leider geht beim Upload ein gutes Stück an Qualität verloren. Gerade auf YouTube am Rechner, kann es auch noch zu heftigen Rucklern kommen, wenn man die Videos in 4k betrachten will. Mein Laptop ist in der Theorie deutlich leistungsfähiger als mein S7 Edge, auf dem Handy laufen die Videos aber deutlich besser. Hat man Googles Foto Backup aktiviert, lassen sich die Fotos auch hier wie Googles Photo-Sphere-Aufnahmen betrachten. Bei den Videos funktioniert das bislang leider nicht.
Samsung Gear 360 Bilder
Auf dem Handy lassen sich die Aufnahmen natürlich mit der Samsung Galerie wiedergeben. Das funktioniert leider nicht immer. Da die Daten beim Übertragen zwangsläufig auf dem begrenzten internen Speicher des Handys landen, ist man oft gezwungen die Dateien auf die Speicherkarte zu ziehen. Dort angekommen passiert oftmals bei der Wiedergabe erstmal nichts. Die Fotos und Videos werden wie normale Exemplare dargestellt. Wechselt man in die Videos-App, klappt die Wiedergabe auch von der Speicherkarte, sogar mit Material von Fremdherstellern. Komisch.
Leider bietet die Kamera derzeit nicht allzu viele Modi. Man kann wahlweise nur eine der beiden Kameras nutzen, es lassen sich Zeitrafferaufnahmen (leider ruckelig und kein Vergleich zu Timelapse), und Videos mit 60 FPS machen (nicht bei voller Auflösung). Spielerein wie TinyPlanet sucht man vergebens. Eigens für diesen Test habe ich mir eine Samsung Gear VR besorgt. Mit dieser lassen sich die Aufnahmen betrachten als wäre man selbst vor Ort. Hier muss man allerdings sagen, dass das Display der Galaxy Smartphones die Auflösung limitiert (Fransen an Rändern wegen Pentile-Matrix erkennbar). Bei guten Fotos fühlt man sich wirklich in die Szenerie zurückversetzt. Videos werde ich in Zukunft nur noch aus dem Stand filmen, andernfalls wird mir nach nur wenigen Sekunden schlecht (Motion Sickness). Trotzdem spielt die Gear VR gerade hier ihre Stärken aus, denn erst so bekommt Virtual Reality im Consumer-Bereich einen Sinn neben den Videospielen. Betrachtet man seine Urlaubssammlung in wenigen Jahren auf deutlich besseren Handys, werden auch die mit Gear 360 aufgenommenen Aufnahmen davon profitieren.
Fazit
Auch wenn die Gear VR noch unter einigen Kinderkrankheiten leidet, macht es jetzt bereits Spaß damit zu arbeiten. Die meisten Mängel sind Softwaremacken, weshalb man hoffen darf, dass Samsung hier noch mal Hand anlegen wird.
Preis-/leistungsmäßig gibt es eventuell bessere Geräte, dann aber nicht mit dieser Ausstattung. Was 360-Grad-Aufnahmen angeht, kommen für mich langfristig nur 4k(+)-Kameras in Frage, in dieser Kategorie ist die Samsung Gear 360 preislich top!
Für den Nachfolger wünsche ich mir dann einen bereits integrierten dedizierten Prozessor, welcher das Rendern der Fotos und Videos im Gerät übernimmt.