Diese Woche konnte man ein interessantes Phänomen beobachten, als das Weiße Haus im Zuge der aktuellen traurigen Ereignisse in den USA ein kurzes, zusammengeschnittenes Video mit Szenen aus gewaltverherrlichenden Videospielen veröffentlichte.
Weil Donald Trump von einem Fettnäpfchen ins andere tritt, äußerst fragwürdige Positionen vertritt und insgesamt nur selten eine halbwegs passable Figur (also ehrlich gesagt nie) als mächtigster Mann der Weltpolitik macht, folgen die Reaktionen auf das Video „Violence in Video Games“ einer recht durchschaubaren Logik: was Donald Trump offenbar nicht gut findet, müssen wir auf jeden Fall verteidigen.
Gewalt „völlig aus dem Kontext“ – eurer Ernst?
So ließen entsprechend vernichtende Artikel und Meinungen nicht lange auf sich warten. Immerhin ist Trump ein leichtes Ziel und für ein paar antiamerikanische Klicks von ganz rechts bis ganz links gut genug. Zudem kann man sich der Zustimmung der eigenen Zielgruppe ganz sicher sein.
Da zählt man etwa auf, was man so alles aus schlechten und gewalttätigen Videospielen lernen kann, wobei allein der Titel (Even violent games teach positive lessons, President Trump) klar macht, dass im Grunde einzig und allein Herr Trump nicht verstanden hat, was wir alle eh schon wissen. Dass es nämlich überhaupt keinen Nachweis darüber gibt, dass Gewalt in Videospielen zu Gewalt und Kriminalität im echten Leben führt. Wow. Dafür werden aber eiligst Experten zitiert und vor die Kameras gezerrt, damit sie den einen Satz sagen, den die Videospiel-Industrie gerne hören möchte.
Versteht mich bitte nicht falsch. Die Gewaltdebatte ist alt und müßig, und ich bin froh darüber, dass im Gegensatz zu Diskussionen vor zehn, 15 Jahren auf die Konstruktion von monokausalen Zusammenhängen verzichtet wird. Aber der Umkehrschluss darf eben auch nicht gelten, die absonderlichen Gewaltdarstellungen zu verharmlosen. Wenn es möglich ist, aus Videospielen sinnvolle Dinge zu lernen, so muss es auch möglich sein, dass sie unter bestimmten Umständen bei bestimmten Personen zu einer negativen Beeinflussung führen können.
Weil man ein idiotisches Video sieht, ist es noch lange nicht okay, sich im Netz hinzustellen und wie ein grenzdebiler Prolet aufzuführen, aus welchen Gründen man Gewaltspiele geil findet: wäre es auch dann okay, Gewalt in Videospielen gut zu finden, wenn ich später einmal ein Massaker begehe?
Für so viel Differenzierung ist aber offensichtlich kein Platz. Es sei denn, man muss minutiös aufzählen, aus welchen Videospielen die Szenen stammen. Weil das dann auch irgendetwas an der Sachlage ändert. Soll das eine Aufforderung sein, alle die Titel selbst einmal durchzuspielen, um ein besseres Bild über die Situation zu bekommen?
Auch in Deutschland (SpiegelOnline) ist man sich nicht zu schade für eine Runde Trump-Bashing: was wäre da einfacher, als mangelnde journalistische Sorgfalt zu mokieren? Die gezeigte Gewalt sei völlig ohne Kontext dargestellt, man verzichte auf jegliche Einordnung des Gezeigten.
Bei letztem Satz musste ich innehalten und kam ins Grübeln. Das müsste doch bedeuten, dass, wenn ich den Kontext kenne, es in bestimmten Situationen zumindest nachvollziehbar wäre, warum man bis ins kleinste Detail dargestellte stilisierte Tötungen einer Person in ein Videospiel einbaut. Weil ich dann verstehe, was es bedeutet, einen Menschen zu töten?
Ist die Darstellung von Gewalt in Videospielen nicht per se abstrakt und losgelöst vom Kontext? Ist die Tötung einer Person nicht an sich ein höchst anstrengender, hoch komplizierter Prozess, der eine große Überwindung kostet, gesellschaftlich tabuisiert und geächtet wird? Zeigen denn alle die zitierten Spiele im gleichen Maße auch die negativen Folgen, die Kehrseite der Medaille?
Es ist sehr schade mit anzusehen, wie viel Denkkapazität darauf verwertet wird einen Mann bloßzustellen, der es offenbar nicht so mit dem Denken hat. Anstatt sich darauf zu besinnen, einer Videospiel-Industrie ordentlich in den Hintern zu treten, einmal auch etwas mehr als stumpfe, gewaltverherrlichende, Sinn- und zusammenhanglose Neuauflagen des ewig gleichen Erfolgstitels für die breite Masse zu produzieren, wähnt man sich auch noch im moralischen Recht, wenn man diese gegen Angriffe aus dem Weißen Haus verteidigt.